ERSTER AUFZUG
Eine Straße Roms, welche im Hintergrunde durch die Lateran-Kirche begrenzt wird; im Vordergrunde rechts das Haus Rienzis. Es ist Nacht. (Orsini mit 6-8 seiner Anhänger vor dem Hause des Rienzi.)
Orsini
Hier ist's, hier ist's! Frisch auf, ihr Freunde.
Zum Fenster legt die Leiter ein!
(Zwei Nobili legen eine Leiter an das Haus und steigen durch das geöffnete Fenster ein.)
Das schönste Mädchen Roms sei mein;
ihr sollt mich loben, ich versteh's.
(Die beiden Nobili bringen Irene aus dem Hause.)
Irene
Zu Hilfe! Zu Hilfe! O Gott!
Die Orsini
Ha, welche lustige Entführung
aus des Plebejers Haus!
Irene
Barbaren! Wagt ihr solche Schmach?
Die Orsini
Nur nicht gesperrt, du hübsches Kind,
du siehst, der Freier sind sehr viel!
Orsini
So komm doch, Närrchen, sei nicht bös,
dein Schad' ist's nicht, kennst du mich erst.
Irene
Wer rettet mich?
Orsini, Die Orsini
Haha, sie ist schön! Nur fort ins Gemach!
(Sie schleppen Irene fort. Colonna mit 8 seiner Anhänger tritt ihnen entgegen und treibt sie zurück.)
Colonna
Orsini ist's! - Zieht für Colonna!
Orsini
Ha, die Colonna! - Zieht für Orsini!
Die Colonna
Colonna hoch!
Die Orsini
Orsini hoch!
Colonna
Nehmt euch das Mädchen!
Orsini
Haltet sie fest!
(Sie kämpfen. Adriano kommt mit Gewaffneten.)
Adriano
Was für ein Streit? - Auf, für Colonna!
(Neuer Kampf.)
Was seh' ich? Gott! Das ist Irene!
Laßt los! Ich schütze dieses Weib!
(Er bricht sich Bahn zu Irene und befreit sie.)
Colonna
Ha brav, mein Sohn! Sie sei für dich!
Adriano
Rührt sie nicht an! Mein Blut für sie!
Orsini
Er spielt fürwahr den Narren gut!
Doch diesmal ist sie noch für mich!
(Er greift Adriano an.)
Colonna
(zu den Seinigen)
Nun, seht nicht zu! Schlagt los!
Die Colonna
Colonna!
(Neuer Kampf. Der Lärm hat allmählich eine starke Anzahl Volkes versammelt.)
Volk
Ha, welcher Lärm! Laßt ab vom Kampf!
Orsini
Das fehlte noch!
Colonna
Schlagt alles nieder!
(Das Volk greift zu Steinen und Stöcken.)
Volk
Nieder mit Colonna! Nieder mit Orsini!
(Allgemeiner Streit. Der Kardinal kommt mit Gefolge.)
Kardinal
Verwegne! Lasset ab vom Streit!
Zur Ruhe ruf' ich, der Legat.
Colonna
Herr Kardinal, geht in die Kirche,
und laßt die Straße nun für uns!
Kardinal
Ha, welche Frechheit!
Orsini
Lest die Messe!
Macht Euch von hinnen!
Kardinal
Unverschämte!
Ich, der Legat des Heil'gen Vaters!
Colonna
Fort, heil'ger Rotrock!
Volk
Hört die Lästrer!
Nobili
Drauflos! Macht Platz, Herr Kardinal!
(Erneut heftiger Kampf. Der Kardinal kommt ins Gedränge, das Volk beschützt ihn.)
(Rienzi kommt mit Baroncelli und Cecco.)
Rienzi
Zur Ruhe! -
(zum Volke)
Und ihr, habt ihr
vergessen, was ihr mir geschworen? -
(Das Volk, das den Kardinal gerettet hat, läßt sogleich bei Rienzis Erscheinen vom Streite ab. Die Nobili sind durch Erstaunen über Rienzis gebieterisches Auftreten und dessen augenscheinliche Gewalt über das Volk sprachlos gefesselt.)
(zu den Nobili)
Ist dies die Achtung vor der Kirche,
die eurem Schutze anvertraut?
(Irene eilt auf Rienzi zu und verbirgt ihr Gesicht an seiner Brust. Rienzi erblickt die Leiter am offenen Fenster und scheint sogleich zu verstehen, was vorgefallen ist. Er wirft den Nobili einen tödlichen Blick zu.)
Dies ist eu'r Handwerk, daran erkenn' ich euch!
Als zarte Knaben würgt ihr unsre Brüder,
und unsre Schwestern möchtet ihr entehren!
Was bleibt zu den Verbrechen auch noch übrig?
Das alte Rom, die Königin der Welt,
macht ihr zur Räuberhöhle, schändet selbst
die Kirche; Petri Stuhl muß flüchten
zum fernen Avignon; kein Pilger wagt's,
nach Rom zu ziehn zum frommen Völkerfeste,
denn ihr belagert, Räubern gleich, die Wege.
Verödet, arm, versiecht das stolze Rom,
und was dem Ärmsten blieb, das raubt ihr ihm,
brecht, Dieben gleich, in seine Läden ein,
erschlagt die Männer, entehrt die Weiber: -
blickt um euch denn, und seht, wo ihr dies treibt!
Seht, jene Tempel, jene Säulen sagen euch:
es ist das alte, freie, große Rom,
das einst die Welt beherrschte, dessen Bürger
Könige der Könige sich nannten!
Verbrecher, sagt mir, gibt es noch Römer?
Volk
Ha, Rienzi! Rienzi! Hoch Rienzi!
Nobili
Ha, welche Frechheit! Hört ihr ihn?
Orsini
Und wir? Reißt ihm die Zunge aus!
Colonna
O laßt ihn schwatzen! Dummes Zeug!
Orsini
Plebejer!
Colonna
Komm morgen in mein Schloß,
Signor Notar, und hol dir Geld
für deine schön studierte Rede!
Nobili
Haha! Den Narren, lacht ihn aus!
Orsini
Lacht ihn aus!
Colonna
Lacht ihn aus!
Orsini
Er stammt gewiß aus edlem Haus.
Colonna
Ganz gewiß!
Nobili
Verehret ja den großen Herrn,
er kann zwar nicht, doch möcht er gern!
Baroncelli, Cecco, Volk
Hört ihr den Spott der Frechen an?
Mit einem Streiche sei's getan!
Rienzi
Zurück, ihr Freunde, haltet ein!
Nicht fern wird die Vergeltung sein!
Zurück! Gedenket eures Schwures!
Orsini
Nun denn, so macht dem Spaß ein End'!
Der Streit ist halb, wir fechten aus.
Colonna
Nicht in den Straßen vor Plebejern,
am Tagesanbruch vor den Toren.
Orsini
Ich stelle mich mit voller Schar.
Colonna
Die Lanzen vor, Mann gegen Mann!
Zum Kampfe für Colonna!
Orsini
Zum Kampfe für Orsini!
Die Nobili
Zum Kampfe für Colonna/Orsini!
Orsini, Colonna, Die Nobili
Hinaus, gerüstet zum Kampfe,
mit Speer und Lanze zu Pferd!
In Frührots nebligem Dampfe
zieht für Orsini/Colonna das Schwert!
Baroncelli, Cecco, Volk
Zum Kampfe ziehn die Frechen
das übermüt'ge Schwert.
Wann wirst die Schmach du rächen
und schützen unsren Herd?
Die Colonna
Für Colonna!
Die Orsini
Für Orsini!
(Die Nobili entfernen sich unter großem Getümmel.)
Rienzi
(der bisher in nachsinnendes Schweigen versunken war)
Für Rom!
(Das Volk drängt sich näher an Rienzi.)
Sie ziehen aus den Toren;
nun denn, ich will sie euch verschließen!
Kardinal
Wann endlich machst du Ernst, Rienzi,
und brichst der Übermüt'gen Macht?
Baroncelli
Rienzi, wann erscheint der Tag,
den du verheißen und gelobt?
Cecco
Wann kommt der Friede, das Gesetz,
der Schutz vor jedem Übermut?
Volk
Rienzi, sieh, wir halten Treu!
O Römer, wann machst du uns frei?
Rienzi
(Den Kardinal beiseit' nehmend)
Herr Kardinal, bedenkt, was Ihr verlangt!
Kann stets ich auf die heil'ge Kirche baun?
Kardinal
Halt fest im Aug' das Ziel, und jedes Mittel,
erreichst du jenes sicher, sei geheiligt!
Rienzi
Wohlan, so mag es sein! Die Nobili
verlassen bald die Stadt: die Zeit ist da!
Ihr Freunde, ruhig geht in eure Häuser,
und rüstet euch, zu beten für die Freiheit!
Doch höret ihr der Trompete Ruf
in langgehaltnem Klang ertönen,
dann wachet auf, eilet all herbei,
Freiheit verkünd' ich Romas Söhnen!
Doch würdig, ohne Raserei,
zeig' jeder, daß er Römer sei!
Willkommen nennet so den Tag,
er räche euch und eure Schmach!
Kardinal
Dem hohen Werke steh' ich bei,
daß segensvoll und heilsam es sei!
Willkommen sei der nahe Tag,
er räche unsre Schmach!
Baroncelli, Cecco, Volk
Wir schwören dir Gehorsam treu,
und bald sei Roma wieder frei!
Willkommen sei der hohe Tag,
er räche uns und unsre Schmach!
Rienzi, Adriano und Irene bleiben zurück. Adriano hat bisher in Staunen und stummes Hinbrüten versunken beiseite gestanden. Rienzi umfaßt Irene mit heftiger Aufwallung.
Rienzi
O Schwester, sprich, was dir geschah,
welch Leid dir Ärmsten angetan?
Irene
Ich bin gerettet: Jener war's,
der mich aus ihrer Hand befreit.
Rienzi
Adriano, du! Wie, ein Colonna
beschützt ein Mädchen vor Entehrung?
Adriano
Mein Blut, mein Leben für die Unschuld!
Rienzi, wie? Kennst du mich nicht?
Wer nannte je mich einen Räuber?
Rienzi
Du weilst, Adriano? Ziehst nicht
hinaus zum Kampfe für Colonna?
Adriano
Weh mir, daß ich dein Wort versteh',
erkenne, was du in dir birgst,
daß ich es ahne, wer du bist,
und doch dein Feind nicht werden kann!
Rienzi
Ich kannte stets nur edel dich,
du bist kein Greuel dem Gerechten.
Adriano! Darf ich Freund dich nennen?
Adriano
Rienzi, ha, was hast du vor?
Gewaltig seh' ich dich, sag an,
wozu gebrauchst du die Gewalt?
Rienzi
Nun denn! Rom mach' ich groß und frei,
aus seinem Schlaf weck' ich es auf;
und jeden, den im Staub du siehst,
mach' ich zum freien Bürger Roms.
Adriano
Entsetzlicher, durch unser Blut!
Rienzi, wir haben nichts gemein!...
(Er will gehen; sein Blick fällt auf Irene.)
Und kann ich gehn? Kann ich
bezwingen dieses Herz!
Weh mir, daß mich Entsetzen treibt,
und doch ich nie sie fliehen kann!
Rienzi
Adriano! Hör mich, noch ein Wort!
Nicht zum Verderben deines Standes
ersann mein Geist den kühnen Plan;
nur das Gesetz will ich erschaffen,
dem Volk wie Edle untertan.
Kannst du mich tadeln, wenn aus Räubern
zu wahrhaft Edlen ich euch mache,
zu Schützern und zu festen Säulen
des Staates und der guten Sache?
Adriano
Ich bin der Erste, das Gesetz
getreu zu üben und zu schirmen,
doch an das Ziel der stolzen Wünsche
gelangst du nur durch blut'ge Bahn,
durch eines feigen Pöbels Wut,
durch meiner Brüder, meines Vaters Blut!
Rienzi
Unseliger! Blut! Blut! Mahne mich nicht an Blut!
Ich sah es fließen - noch ist es nicht gerächt!
Wer war es, der einst meinen armen Bruder,
den holden Knaben, als am Tiberstrande
voll Unschuld er Irenen Kränze wand,
wer war's, der ihn aus rohem Mißverstand
erschlug? Wer war es, den ich für diesen Mord
vergebens um Gerechtigkeit anrief?
Adriano
Ha, Schande! Es war ein Colonna!
Rienzi
Ha, ein Colonna! Was tat der arme Knabe
dem edlen, dem patrizischen Colonna?
Blut? Ja, Adriano di Colonna,
ich tauchte diese Hand tief in das Blut,
das aus dem Herzen meines Bruders quoll,
und schwur einen Eid! Weh dem,
der ein verwandtes Blut zu rächen hat!
Adriano
Rienzi, du bist fürchterlich!
Was kann ich tun, die Schmach zu sühnen?
Rienzi
Adriano, sei mein, sei ein Römer!
Adriano
(begeistert)
Ein Römer? Laß mich ein Römer sein!
Noch schlägt in dieser Brust
ein freies Römerherz.
Es fühlt der Größe Lust,
der Schmach gewalt'gen Schmerz;
zu sühnen alle Schande,
weih' ich dies Leben dir,
im freien Römerlande
winkt Glück und Freude mir!
Irene
Noch schlägt in seiner Brust
ein freies Römerherz.
Vor solcher Wonne Lust
verschwindet jeder Schmerz!
Mit hoher Liebe Bande
zieht mich mein Herz zu dir,
im freien Römerlande
winkt Glück und Freude mir!
Rienzi
Noch schlägt in seiner Brust
ein freies Römerherz.
Es fühlt der Größe Lust,
der Schmach gewalt'gen Schmerz!
Wer trüge länger Schande?
Das Volk erheben wir!
Wenn frei der Römer Lande,
lohnt Glück und Größe dir!
Rienzi
Die Stunde naht, mich ruft mein hohes Amt.
Adriano, dir vertraue ich die Schwester.
Du rettetest vor Schmach und Schande sie,
so schütze sie noch jetzt! Dies ein Beweis,
daß ich für edel, frei und groß dich halte!
Bald seht ihr mich, das Werk naht der Vollendung!
(Er geht nach dem Hintergrunde ab.)
(Adriano und Irene bleiben zurück.)
Adriano
Er geht und läßt dich meinem Schutz;
o Holde, sprich, vertraust du mir?
Irene
Held meiner Ehre, meines Lebens,
mein höchstes Gut vertrau' ich dir!
Adriano
Wohl weißt du, daß ich ein Colonna,
und fliehst mich nicht, des ganzer Stamm
ein Greuel dir und deinem Bruder?
Irene
O, warum nennst du dein Geschlecht?
Mir graut vor dir, vor meinem Retter,
gedenke jener Stolzen ich,
die nie verzeihn, daß du vor Schande
ein Bürgermädchen rettetest.
Adriano
Ach, mahne jetzt nicht an den Jammer,
der uns, der Rom bedroht!
Dein Bruder, welch ein Geist! Doch ach!
Ich sehe ihn zugrunde gehn!
Der Pöbel selbst wird ihn verraten,
ihn zücht'gen wird der Nobili,
und du, Irene, was dein Los?
Doch, ha, dein Unglück sei mir Losung!
Und jede Bande schwindet hin!
Für dich mein Leben und mein Gut!
Irene
Und wenn ich glücklich bin?
Adriano
O schweige!
Vor deinem Glücke zittre ich!
Es komme Nacht und Tod,
und dein bin ich für ewig!
Adriano
Ja, eine Welt voll Leiden
versüßt dein holder Blick;
von ihr mit dir zu scheiden
ist göttliches Geschick.
Bräch' auch die Welt zusammen,
riss' jeder Hoffnung Band,
der Liebe Regionen
beu'n uns ein neues Vaterland.
Irene
Ja, eine Welt voll Leiden
versüßt der Liebe Glück;
von ihr mit dir zu scheiden
ist göttliches Geschick.
Bräch' auch die Welt zusammen,
riss' jeder Hoffnung Band,
der Liebe Regionen
beu'n uns ein neues Vaterland.
(Trompeten hinter der Szene.)
Irene
Ihr Heil'gen! Welche Schreckenstöne!
Adriano
Mir wohlbekannt: Colonnas Scharen!
(Unter großem Getümmel ziehen die Colonna gerüstet und teils zu Pferde über die Straße. Voran Trompeter.)
Irene
(nach dem Hause zu fliehend)
Weh mir! Sie suchen Beute!
Adriano
O bleib! Ich stehe dir zur Seite!
(Trompeten der Orsini, welche ebenfalls gerüstet und zu Pferde geräuschvoll über die Straße ziehen.)
Adriano
Das sind Orsinis Räuberscharen;
die Übermüt'gen, sie ziehn zum Kampfe!
Sie kennen Mord und Schandtat nur!
Ich schaudre! Welche Schreckensahnung!
Welch düstres Grau'n durchbebt die Brust!
Doch seid willkommen, Schreck und Tod!
Sie heißen meine Liebe mich bewähren!
Adriano und Irene
Bräch' auch die Welt zusammen,
riss' jeder Hoffnung Band;
der Liebe Regionen
beu'n uns ein neues Vaterland!
(Sie bleiben in stummer Umarmung)
(Man hört aus der Ferne den lang gehaltenen Ton einer Trompete.)
(Etwas näher.)
Irene
(aus der Umarmung auffahrend)
Was für ein Klang?
Adriano
Wie schauerlich!
(Trompete noch näher.)
Was hat das zu bedeuten?
Das ist kein Kriegsruf der Colonna.
Ein Herold betritt die Bühne, ein Trompeter an seiner Seite bläst einen lang gehaltenen Ton. Adriano und Irene sind auf die Seite getreten. Aus allen Häusern brechen wie in einem Moment die Einwohner hervor, so daß der ganze Platz bis zum Lateran hin plötzlich mit einer großen Volksmasse bedeckt ist, die ihn mit dem freudigsten Tumult erfüllt.
Volk
(in wildem Enthusiasmus)
Gegrüßt, gegrüßt sei, hoher Tag!
Die Stunde naht! Vorbei die Schmach!
(Aus dem Lateran, dessen Fenster jetzt im rötesten Frührot strahlen, hört man die Orgel beginnen; bei ihrem Klange legt sich augenblicklich das Toben des Volkes; die ganze Straße bis zum Lateran ist mit Knienden bedeckt.)
Chor in lateran
Erwacht, ihr Schläfer nah und fern,
und hört die frohe Botschaft an:
daß Romas schmacherloschner Stern
vom Himmel neues Licht gewann!
Seht, wie er strahlt und sonnengleich
in ferne Nachwelt siegend bricht!
Zur Nacht sinkt Schmach, so totenbleich,
zum Wonnetag steigt Freiheitslicht!
(Die Menge liegt noch atemlos auf den Knien, als während der letzten Takte des Kirchengesanges, wo die Orgel wieder eintritt, die Pforten des Laterans sich weit öffnen. Man erblickt die Kirche mit Priestern und Geistlichen aller Orden erfüllt. Auf die große Treppe heraus schreitet Rienzi, ihm zur Seite der Kardinal; Baroncelli und Cecco del Vecchio folgen. Rienzi ist in einer vollständigen Rüstung, nur sein Haupt ist entblößt. Bei seinem Erscheinen erhebt sich das Volk augenblicklich von den Knien und jubelt ihm enthusiastisch entgegen.)
Volk
Rienzi! Ha, Rienzi hoch!
Der Retter naht, vorbei die Schmach!
Rienzi
(feierlich)
Erstehe, hohe Roma, neu!
Sei frei, sei jeder Römer frei!
Volk
Frei Roma! Jeder Römer frei!
Rienzi
Die Freiheit Roms sei das Gesetz,
ihm untertan sei jeder Römer;
bestraft sei streng Gewalt und Raub,
und jeder Räuber Romas Feind!
Verschlossen sei, wie jetzt es ist,
den Übermüt'gen Romas Tor;
willkommen sei, wer Frieden bringt,
wer dem Gesetz Gehorsam schwört.
Die Feinde treffe euer Grimm,
vernichtet sei der Frevler Schar,
daß froh und frei der Pilger zieh',
geschützt der Hirt der Herde folg'! -
So schwört, zu schirmen das Gesetz,
schwört freier Römer heil'gen Schwur!
Volk
Befreier, Retter, hoher Held!
Rienzi, höre unsern Schwur!
Wir schwören dir, so groß und frei
soll Roma sein, wie Roma war.
Vor Niedrigkeit und Tyrannei
sie unser letztes Blut bewahr!
Tod und Verderben schwören wir
dem Frevler an der Römer Ehr'!
Ein neues Volk erstehe dir,
wie seine Ahnen groß und hehr!
(Cecco del Vecchio tritt vor, unter das Volk.)
Cecco
Ihr Römer, sprecht! Nun, da wir frei,
wer war's, der uns dazu gemacht?
Wer war's, der jeden unter uns belehrte,
was Rom sei und was es war?
Geschaffen hat er uns zum Volk,
drum hört mich an und stimmt mir bei:
es sei sein Volk und König er!
Volk
(in wildem Enthusiasmus)
Rienzi Heil! Der Römer König Heil!
Adriano
(für sich)
Unglücklicher! Wie, sollt' er's wagen?
(Es herrscht große Aufregung, die sich, sobald Rienzi beginnt, augenblicklich legt.)
Rienzi
Nicht also! Frei wollt' ich euch haben!
Die heil'ge Kirche herrsche hier,
Gesetze gebe ein Senat.
Doch wählet ihr zum Schützer mich
der Rechte, die dem Volk erkannt,
so blickt auf eure Ahnen
und nennt mich euren Volkstribun.
Volk, Baroncelli, Cecco
Rienzi, Heil dir, dir Volkstribunen,
Hort unsrer Freiheit!
(Rienzi kniet vor dem Kardinal.)
Kardinal
Des Heil'gen Vaters Segen ruht
auf dir, Tribun und Friedensheld!
Irene
Heil dir, Rienzi, glorreicher Bruder!
Adriano
(hingerissen)
Und aller Segen folge dir!
Rienzi
(erhebt sich von den Knien)
Ihr Römer! Nun, so schwöre ich,
zu schützen euch und euer Recht!
Lang blühe Romas neu Geschlecht!
Volk
Befreier, Retter, hoher Held;
dir huldigt freier Römer Schwur!
Volk, Irene, Adriano, Baroncelli, Cecco
Wir schwören dir, so groß und frei
soll Roma sein, wie Roma war.
Vor Niedrigkeit und Tyrannei
sie unser letztes Blut bewahr'!
Schmach und Verderben schwören wir
dem Frevler an der Römer Ehr'!
Ein neues Volk erstehe dir,
wie seine Ahnen groß und hehr!
(Der Vorhang fällt.)
ZWEITER AUFZUG
Chor der Friedensboten, Rienzi, Baroncelli, Cecco, Senatoren
Chor der friedensboten
(auf dem Theater, sehr entfernt)
Jauchzet, ihr Täler!
Frohlockt, ihr Berge!
Frei prangt die Flur,
erfüllt von Segensspur!
Jauchzet, ihr Berge!
Frohlockt, ihr Täler!
(Der Vorhang geht auf.)
(Die Bühne bleibt noch eine Zeitlang leer. Den folgenden Gesang der Friedensboten hört man wie aus den Straßen näherkommend, bis diese selbst mit dem ersten Friedensboten an der Spitze gegen die Mitte des Gesanges durch das große Portal in einem langsamen Zuge auftreten. Sie sind festlich antik in Weiß gekleidet und tragen silberne Stäbe.)
Chor der friedensboten
Ihr Römer, hört die Kunde
des holden Friedens an:
Auf Romas heil'gem Grunde
wallt freudig jede Bahn!
In düstrer Felsen Schluchten
drang goldner Sonne Schein;
in Meeres sichren Buchten
zieht froh die Segel ein!
Denn Friede ist gekommen,
der Freiheit Licht gewonnen!
Jauchzet, ihr Täler!
Frohlockt, ihr Berge!
(Rienzi tritt auf mit Cecco, Baroncelli und den Senatoren.)
Rienzi
Du, Friedensbote, sage an,
hast deine Sendung du vollbracht?
Zogst du durchs ganze Römerland
und bringest Frieden du und Segen uns?
Erster friedensboten
Ich sah die Städte, sah das Land,
ich zog entlang des Meeres Strand;
so weit das Land der Römer reicht,
trug mich mein Fuß beschwingt und leicht.
Und Frieden fand ich überall,
froh tönt des Jubels Widerhall.
Frei treibt der Hirt die Herde hin,
reich prangt der Felder Fruchtgewinn.
Der Burgen Wälle stürzen ein,
denn frei will jeder Römer sein.
Chor der friedensboten, erster friedensboten
So weit das Land der Römer reicht,
trug uns der Fuß beschwingt und leicht,
und Frieden fand ich überall,
froh tönt des Jubels Widerhall.
Frei treibt der Hirt die Herde hin,
reich prangt der Felder Fruchtgewinn.
Der Burgen Wälle stürzen ein,
denn frei will jeder Römer sein.
Rienzi
Dir Preis und deiner hohen Macht!
Durch dich, mein Gott, hab' ich's vollbracht!
Baroncelli, Cecco, Senatoren
Dir alles Glück verdanken wir,
dem größten Römer, Ehre dir!
Rienzi
Geht, Friedensboten, ziehet denn
durch alle Straßen Romas hin,
bringt jedem Römer eure Kunde!
(Die Friedensboten verlassen unter Anstimmung der Hymne langsam durch das Portal die Bühne. Der Gesang verhallt zum Schluß in den Straßen.)
Chor der friedensboten
Ihr Römer, hört die Kunde
des holden Friedens an:
Auf Romas heil'gem Grunde
wallt freudig jede Bahn!
In düstrer Felsen Schluchten
drang goldner Sonne Schein;
in Meeres sichren Buchten
zieht froh die Segel ein!
Denn Friede ist gekommen!
Der Freiheit Licht gewonnen!
Jauchzet, ihr Täler!
Frohlockt, ihr Berge!
(Rienzi ist in stummes Gebet versunken.)
(Steffano Colonna, Orsini und die Nobili, alle in Friedensgewändern, treten auf und grüßen Rienzi mit stolzer Unterwürfigkeit.)
Colonna
Rienzi, nimm des Friedens Gruß!
Rienzi
Heil euch! - Was fehlt noch Rom zu seinem Glücke,
da seine mächt'gen, stolzen Feinde jetzt
zurückgekehrt und Treue ihm geschworen!
Colonna
Rienzi, ich bewundre dich;
zwar sucht' ich diese Größe nie in dir,
doch sei's darum! Ich will sie anerkennen!
Rienzi
Des Friedens, des Gesetzes Größe nur,
nicht meine, sollt ihr anerkennen!
Vergeßt es nie, daß dieser Preis es war,
um den wir kämpften; - daß diese Tore sich
euch öffneten, nur da ihr Treu' ihm schwurt,
daß ihr ihm untertan sein sollt
wie der geringste der Plebejer!
Die Mauern eurer Schlösser saht ihr fallen,
durch die ihr Rom zum Räuberlager machtet.
Weh euch, wenn ihr drum Groll noch nährt,
wenn euer Herz der neue Tag noch nicht
erwärmt! Weh euch beim kleinsten Übertritt!
Denn ich vor allem schütze das Gesetz,
ich, der Tribun.
(Mit freundlicher Herablassung.)
Ihr Herrn und Edlen, ich
erwarte euch zum Feste in diesen Sälen!
(Er geht ab mit Cecco, Baroncelli und den Senatoren.)
Orsini
Colonna, hörtest du das freche Wort?
Sind wir verflucht, zu dulden solche Schmach?
Colonna
Ha, wie ich knirsche! Der Plebejer, er,
den ich zum Spott an meiner Tafel hielt!
Orsini
Was ist zu tun? Wir sind besiegt.
Und dieser Pöbel, den mit Füßen wir
getreten, wie verwandelte er sich!
Die Masse ist bewaffnet, Mut und Begeisterung
in jedem der Plebejer.
Colonna
Der Pöbel - ha!
Rienzi ist's, der ihn zu Rittern macht.
Nimm ihm Rienzi, und er ist, was er war.
(Die Nobili schließen einen engeren Kreis um Orsini und Colonna. Adriano tritt ungesehen auf, beobachtet die Gruppe und mischt sich unbemerkt unter sie.)
Orsini
So wäre denn auf ihn allein
der Streich zu führen, der uns frommt?
Colonna
Er ist der Götze dieses Volks,
das er durch Trug verzaubert hält.
Orsini
Doch für Gewalt und offne Tat
sind wir zu schwach, vermögen nichts.
Colonna
Was bleibt uns übrig? Tötet ihn
inmitten dieser Narrenbrut,
hin ist die Pracht und uns der Preis!
Orsini
Ha, du sprichst wahr! Und diesen Stoß,
wer führt ihn sichrer wohl als ich?
Heut ist das Fest in diesen Sälen,
schließt euch um mich, ich fehle nie!
Colonna
Vierhundert Lanzen, denen er
die Stadt verschloß, bring' ich herein,
besetze schnell das Kapitol,
und Rom gehört von neuem uns.
Orsini, Nobili
(wild auffahrend)
So sei's!
Adriano
(tritt hervor und steht vor Orsini und Colonna)
Ha, Meuchelmörder! Sprecht,
was habt ihr vor? Was brütet ihr?
Orsini
Colonna, sprich, sind wir verraten?
Colonna
(mißt Adriano mit scharfem Blicke)
Wer bist du? Sag, bist du mein Sohn?
Ha, oder bist du mein Verräter?
Adriano
Des ritterlichen Vaters Sohn,
der Ehre bis ins Alter liebte,
der fremd war jeder Bubentat,
Orsinis Feind und seiner Rotte.
Orsini
Verräter, frecher Knabe du!
Colonna
Lehrt solches Wort dich der Tribun?
Weh dir, erkenne ich für wahr,
wie ich sie ahne, deine Schmach!
Adriano
Bist du noch immer blind, mein Vater?
Colonna
Ha, schweig! Du bist in seinen Händen,
und zum Verräter am eignen Vater
benutzt dich der Tribun! Fluch ihm!
Erschienen sei sein letzter Tag!
Adriano
O Gott, so hört' ich wirklich recht?
Ihr brütet finstern Meuchelmord?
Laßt euch beschwören, o beschimpft
nicht so die Namen, schon genug
befleckt durch Raubtat und Gewalt!
Orsini
Hört den Treulosen! - Wie, Colonna,
du züchtigst deinen Knaben nicht?
Colonna
(hart an Adriano)
So wisse! Heut, in diesen Sälen,
stirbt der Tribun von unsrer Hand.
Du weißt's, Verworfner! Geh denn hin,
verrate ihm mich, deinen Vater!
Adriano
Entsetzlich! Ha, mein Schreckenslos!
Sieh meine Angst, erhör mein Flehen!
Colonna
Verräter bist du, nicht mein Sohn!
Orsini
Komm fort, nicht sicher sind wir hier!
Adriano
Mein Vater, bleib und hör mich an!
Colonna
Vergebens, Bube, ich bin fest!
Adriano
Sei gnädig und erbarm dich mein!
Mein Vater!
Die Nobili
Hör ihn nicht an! Auf, folge uns!
Adriano
(auf den Knien)
Zu deinen Füßen fleht dein Sohn!
Du bringst Verzweiflung auf sein Haupt!
Colonna
Rienzi stirbt von unsrer Hand,
du weißt's, geh hin, verrate mich!
Adriano
O hör der Ehre Hochgebot!
Hör deines Sohnes Jammer an!
Sieh mich in meiner Todesnot;
Verzweiflung faßt mich Ärmsten an!
Orsini, Nobili
So sei's! Geschworen ist ihm Tod!
Für unsre Schmach sei's jetzt getan! -
In diesen Hallen, blutigrot,
soll enden des Plebejers Bahn!
Colonna
So sei's! Geschworen ist ihm Tod;
für unsre Schmach sei's jetzt getan! -
Flieh meinen Fluch, der dich bedroht,
den Vatermörder trifft er an!
(Colonna stößt Adriano von sich zu Boden. Alle außer Adriano entfernen sich unter drohenden Gebärden.)
Adriano
(richtet sich leichenblaß vom Boden auf.)
Ich will denn ein Verräter sein:
Irenens Bruder, Rienzi, lebe!
(Er will abgehen, plötzlich schaudert er aber zurück.)
Verräter! Ha, was willst du tun?
Mein Vater...er?...sein graues Haupt
dem Henkerbeil? Ha, nimmermehr!
(in Verzweiflung)
Ihr Heil'gen, schützt vor Wahnsinn mich!
(Er geht ab.)
Der Zug der römischen Bürgerschaften naht sich durch das große Portal. Voran die Senatoren, ihnen folgen die Nobili und das Volk. Alle sind festlich geschmückt.
Volk
Erschallet Feierklänge!
Stimmt Jubellieder an!
Ihn ehren die Gesänge,
der Freiheit uns gewann!
(Rienzi tritt auf; mit ihm Irene, Baroncelli und Cecco del Vecchio. - Allgemeine Begrüßungen.)
Rienzi
Seid mir gegrüßt, ihr Römer all!
Ha, welch ein Anblick beut sich mir dar,
vereint, geschmückt zum Friedensfest! -
Der Friede hoch! Lang blühe Rom!
Volk
Der Friede hoch! Lang blühe Rom!
Baroncelli
Es nahen die Gesandten sich,
die Nah und Fern dir zugesandt!
(Der Gesandte Mailands tritt auf mit einem glänzenden Gefolge.)
Der gesandte mailands
Heil dir, und ewiges Gedeihn
wünscht Mailand dem erstandnen Rom!
(Die Gesandten der Lombardei mit Gefolge.)
Die gesandte der Lombardei
Gruß jeder Stadt der Lombardei
entbieten wir dem Schützer Roms.
(Der Gesandte Neapels mit Gefolge.)
Der gesandte Neapels
Ruhm dir, und hohe Ehre Rom
bezeigt Neapels Königin!
(Die Gesandten Böhmens und Bayerns mit Gefolge.)
Die gesandte Böhmens und Bayerns
Von Deutschland her kommt dir der Gruß:
Gedeihen dir und Ehre Rom!
Rienzi
Im Namen Roms nehmt vollen Dank!
Nie ende Neid den schönen Bund! -
(in wachsender Begeisterung)
Ja, Gott, der Wunder schuf durch mich,
verlangt, nicht jetzt schon stillzustehn.
So wißt, nicht Rom allein sei frei -
nein, ganz Italien sei frei!
Heil dem ital'schen Bunde!
Volk, Baroncelli, Cecco, Die gesandte Italiens
Heil dem ital'schen Bunde!
Rienzi
Und weiter noch treibt Gott mich an! -
Im Namen dieses Volks von Rom
und kraft der mir verliehnen Macht
lad ich die Fürsten Deutschlands vor,
bevor ein Kaiser sei gewählt,
sein Recht den Römern darzutun,
mit dem er König Roms sich nennt.
Auch Rom erwähle ihn so fort
denn Rom sei frei und blühe lang!
(Außerordentliche Sensation; betroffene Bewegung der Gesandten Böhmens und Bayerns.)
Orsini
(heimlich zu Colonna)
Der Übermüt'ge! Ist er toll?
Colonna
Ha, fast erspart er dir den Stoß!
Rienzi
Herold, beginnen mag das Fest!
(Vorbereitungen zur Pantomime.)
Adriano
(unbemerkt und heimlich zu Rienzi)
Rienzi, sei auf deiner Hut!
Rienzi
Droht mir Verrat?
Adriano
Schütz dich! Nichts weiter!
Rienzi
Verrat? Von wem als diesen Edlen?
Adriano
Nur meine Ahnung!
Rienzi
Fürchte nichts!
Ein Panzerhemd deckt meine Brust!
(Er entfernt Baroncelli mit einem heimlichen Auftrage.)
(Nachdem alles zur Pantomime geordnet ist, tritt der Herold vor.)
DER HEROLD
Ihr Römer, es beginnt das Fest.
Ein hohes Schauspiel stellt sich dar.
Erfahret, wie einst Lucretias Tod,
durch Brutus' Heldentat gerächt,
Tarquinius' Tyrannei vertrieb
und Romas Söhnen Freiheit gab.
Pantomime
Lucretia gefolgt von ihren Frauen; Collatinus, ihr Gatte, und mehrere angesehene Römer, unter ihnen Brutus. Collatinus: er müsse sie verlassen, der Tyrann Tarquinius habe ihn zu einem Feste geladen, zu dem ihn seine Freunde begleiten würden. Lucretia: - er solle sie nicht verlassen, ihr sei so bang in seiner Abwesenheit. Collatinus: er müsse der Einladung Folge leisten, damit er den Tyrannen einlulle, um ihn desto sicherer zu verderben! Lucretia: Sie beschwöre ihn von neuem, sie nur heute nicht zu verlassen; sie quälten die fürchterlichsten Ahnungen, zu denen sie gräßliche Träume der vorigen Nacht trieben. Collatinus: sie sei wohl krank? Er befiehlt Virginia und den Jungfrauen, während seiner Abwesenheit Lucretia treu zu bewachen und ihre Augen durch muntere Spiele zu erfreuen. Er nimmt zärtlich Abschied von Lucretia. Sie umarmt ihn heftig; - er geht mit seinen Freunden. Lucretia sinkt auf ein Ruhebett und verbleibt in schwermütiges Hinbrüten versunken zurück. Virginia naht sich Lucretia mit Teilnahme und richtet an sie die Frage, ob sie nicht erlauben wolle, daß die Jungfrauen sie mit Spiel und Tanz aufzuheitern suchen dürften? Lucretia willigt ein. Einige der Jungfrauen ergreifen Harfen, die anderen ordnen sich zu einem Tanze.
Ballett.
Tarquinius hat sie belauscht. Auf sein Geheiß brechen seine Trabanten hervor und bemächtigen sich nach einigem Kampfe der Jungfrauen, die sie mit sich fortführen. -
Lucretia ist vor Schreck bewußtlos hingesunken. Tarquinius ist mit ihr allein; er betrachtet sie voll ungestümen Verlangens und sucht sich der Hingesunkenen zu bemächtigen; Lucretia erwacht aus ihrer Betäubung. Sie begreift schnell das Schreckliche ihrer Lage. Sie entsetzt sich und sucht zu entfliehen. Tarquinius hält sie zurück; - sie sucht ihn abzuwehren. Sie ringen eine Zeitlang. Oft macht sie sich los und sucht nach verschiedenen Seiten hin zu entfliehen; - überallhin folgt er ihr und hält sie zurück; - sie sucht ihn bald durch bittende, bald durch drohende Gebärden von sich abzuhalten. - In der Verzweiflung senkt sie sich auf die Knie; - und beschwört ihn, ihre Ehre zu schonen. Tarquinius hebt sie auf und kniet selbst vor ihr, indem er sie bittet, seinem Verlangen nicht zuwider zu sein; ihre Schönheit flöße ihm eine zu große Glut ein, als daß er sie nicht gelöscht sehen solle. Sie solle bedenken, daß er der Beherrscher der Römer sei, der über alle, auch über sie unumschränkt zu gebieten habe. Sie stößt ihn mit grimmiger Verachtung von sich; - dies reizt seine Wut; mit roher Gewalt sucht er sich jetzt ihrer zu bemächtigen; sie wehrt sich nochmals auf das Verzweifeltste; ihre Kräfte scheinen endlich zu sinken - er erfaßt sie und schleppt sie nach dem Ruhebette - plötzlich stößt sie ihn aufs neue gewaltsam von sich; sie hat ihm das Schwert entrissen und droht ihm, sich zu durchbohren, wenn er nicht von ihr ablasse; er dringt demohngeachtet auf sie zu und sucht ihr das Schwert zu entreißen, sie wehrt ihn glücklich ab und stößt sich das Schwert in die Brust. Sie sinkt tot nieder. Tarquinius ist auf das Äußerste bestürzt. Seine Trabanten nahen sich mit der Nachricht, daß Collatinus mit vielen Begleitern zurückkehre. - Tarquinius entflieht mit ihnen. -
Collatinus, Brutus, Virginia und eine Anzahl junger Römer treten auf: Virginia hatte sich den Trabanten entrissen, war zu Collatinus geeilt und hat ihn von allem benachrichtigt, was in seiner Abwesenheit vorgefallen. - Sie erblicken die Leiche. Collatinus stürzt sich mit heftigem Schmerz über sie hin; - alle stehen von tiefem Entsetzen ergriffen. Brutus ermannt sich zuerst, erhebt Collatinus und zieht das Schwert aus Lucretias Brust. Mit heroischem Pathos, über den die anderen erstaunen, hebt Brutus mit beiden Händen das Schwert zum Himmel und schwört Untergang der Tyrannei. Er hält den übrigen das Schwert hin und fordert sie auf, denselben Schwur zu leisten. Alle sind durch Brutus hingerissen. Sie schwören auf das Schwert Bestrafung und Vertreibung der Tyrannei. Brutus fordert sie zum schnellen Vollzug des Schwures auf; sie sind entschlossen, sogleich alles zu wagen. Sie entblößen ihre Schwerter, heben Lucretias Leiche auf und eilen davon.
Tarquinius kommt mit seinen Trabanten. Er ist auf der Flucht, sein Schritt ist matt und schwankend. Voll Entsetzen und Wut blickt er hinter sich; seine Begleiter fordern ihn auf zu fliehen. Seine Freunde bewegen ihn endlich, ihnen zu folgen. Er blickt noch einmal zurück, mit einer Gebärde, als ob nun alles verloren sei, wirft er sein Diadem von sich und entflieht.
Brutus, Collatinus und die Scharen der römischen Jugend, alle in Waffen, gelangen, Tarquinius verfolgend, auf die Bühne. Brutus hält sie von der weiteren Verfolgung zurück; der Sieg sei entschieden, der Schwur erfüllt, der Tyrann vernichtet und Rom frei. Er fordert sie auf, die Waffen von sich zu legen und sich mit friedlichen Oliven zu schmücken, denn Friede und Freiheit solle nun herrschen, nur die Waffen sollten sie stets in Bereitschaft halten, Frieden und Freiheit gegen jeden Tyrannen zu schützen; er fordert sie auf, dies zu beschwören. Alle, in der einen Hand das Schwert, in der anderen den Kranz, beschwören, mit jenem diesen zu verteidigen. Festlicher Tanz mit Festhaltung der Allegorie.
Trompeten ertönen. Ein Zug Ritter in mittelalterlichen Kostümen erscheint. Die Römer, die ihre Waffen bereits abgelegt, werden von Brutus ermahnt, sich gegen neue Tyrannen zu verteidigen. Sie werden von den Rittern herausgefordert, ergreifen die Waffen und beginnen den Kampf.
Kampf.
Die alten Römer bilden mit ihren Schilden eine Testudo, auf welche ihre Anführer, Brutus voran, steigen und von da herab die Ritter siegreich bekämpfen.
Der Sieg ist entschieden, die Ritter unterliegen.
Der Friede erscheint, ihm folgen Jungfrauen, in gemischt antikem und mittelalterlichem Kostüm. Der Frieden versöhnt die alten mit den neuen Römern. Auf sein Geheiß schmücken die mittelalterlich gekleideten Jungfrauen die alten, die antik gekleideten die neuen Römer mit Friedens-Kränzen und gesellen sich zu ihnen.
Festliche Tänze, die Vereinigung des alten und neuen Roms versinnlichend.
Die neuen Römischen Fahnen werden entfaltet; die Fahnen werden von den Zuschauern enthusiastisch begrüßt.
(Orsini hat sich während des Schlusses der Tänze immer dichter an Rienzi gedrängt und führt jetzt einen Dolchstoß nach dessen Brust. Adriano, der ihn fest beobachtet hat, fährt dazwischen, ohne jedoch den Stoß zurückhalten zu können. Die Säle sind plötzlich durch Rienzis Trabanten besetzt und die Nobili in einem Moment überwältigt.)
Volk
Rienzi! Auf! Schützt den Tribun!
Rienzi
(zu den Nobili)
Ihr staunt? Begreift nicht das Mißlingen
der wohlberechnet schönen Tat?
(Er entblößt das Gewand auf seiner Brust, die mit einem hellen Panzer bedeckt ist.)
So seht denn, wie ich mich gewahrt
vor eurer Liebe! Meuchelmord!
Er galt nicht mir, nein, er galt Rom,
galt seiner Freiheit, seinem Gesetz!
Sie ekelte dies hohe Fest,
das Roms Erstehung feierte!
Viel edler ist ein Meuchelmord
an dem, der Roma neu erschuf!
Zu End, ihr Römer, sind die Feste,
und das Gericht beginnet!
(Erschüttert und schweigend entfernt sich alles; nur Rienzi, die Senatoren, Cecco, Baroncelli und sämtliche Nobili, von den Trabanten bewacht, bleiben zurück.)
Rienzi
(zu den Senatoren)
Ihr saht, Signori, das Verbrechen,
vor euren Augen ward's verübt.
Baroncelli
Noch mehr! Colonnas Lanzenvolk
durchbrach das Tor und suchte jetzt
in Eil' das Kapitol zu nehmen,
das deine Vorsicht schon besetzt.
Rienzi
Ihr Edlen, leugnet ihr?
Colonna
Wer leugnet?
Zeig deinen Mut, nimm uns das Haupt:
auch deine Stunde ist nicht fern!
Rienzi
(erschüttert)
Was willst du, düstre Mahnung, mir?
(Er ermannt sich schnell.)
So richtet sie nach dem Gesetz!
Cecco
Und das Gesetz spricht:
Cecco, Senatoren
Tod durchs Beil!
Rienzi
Nun denn, bereitet sie zum Tod!
(Die Nobili werden von den Senatoren und den Trabanten in den hinteren Saal geführt, vor welchem ein roter Vorhang herabgelassen wird. Man hört das dumpfe Geläute der Kapitol-Glocke. Rienzi allein.)
Mein armer Bruder, nicht durch mich,
durch Roma selbst wirst du gerächt!
(Adriano und Irene stürzen herein.)
Adriano
Den Heil'gen Dank! Er ist allein...
Rienzi! Gib mir meinen Vater!
Irene
Sein Vater! Sprich, was ist sein Los?
Rienzi
Des Hochverräters Los, der Tod!
Adriano
Ha, nimmermehr! Bedenk, Tribun,
ich warnte dich, verriet den Vater!
Machst du zu seinem Mörder mich?
Rienzi
Bedenke, daß du Römer bist
und nicht des Hochverräters Sohn!
Adriano
Willst du die Bande der Natur
aufopfern deiner Freiheit Prunk?
Oh, Fluch dann ihr, Fluch dir, Tribun!
Rienzi
Betörter! Ward nicht die Natur,
ja, Gott selbst freventlich verletzt!
Meineid und Mord! Colonna stirbt!
Adriano
Ha, wag es, blut'ger Freiheitsknecht!
(mit Bedeutung)
Gib mir verwandtes Blut zu rächen,
und dein Blut ist's, was mir verfällt!
Rienzi
Unsel'ger! Woran mahnst du mich?
(Man hört aus dem verhängten Saale den dumpfen Gesang der Mönche, welche die Nobili zum Tode vorbereiten.)
Die Mönche
(hinter der Szene)
Misereat Dominum
vestrorum peccatorum!
Adriano
Entsetzlich! Welche dumpfe Töne!
Errege Mordlust nicht in mir.
Irene
O blick zu Gott, sei gnädig, Bruder,
und schone, o schone, seines Vaters Haupt!
(Vom großen Portal her hört man das Volk.)
Volk
Tod der Verräterbrut!
Rienzi
Hört diesen Ruf! Er spricht zu mir!
Ach, meine Gnade wird zum Verbrechen!
(Irene und Adriano beschwören Rienzi auf den Knien.)
Adriano, Irene
Zu deinen Füßen flehen wir:
sei gnädig, rette meinen/seinen Vater!
Rienzi
Wohlan! Vernehmt denn Rienzis Entschluß!
(Auf Rienzis Zeichen hebt sich der Vorhang. Man sieht die Nobili in Todesangst beten, vor jedem steht ein Mönch. Der Ruf des Volkes schallt von außen durch das große Portal her. Die Nobili werden in den Vordergrund geführt.)
Volk
(von außen)
Tod den Nobili!
Tod den Verrätern!
(Die Masse des Volkes bricht durch das Portal herein.)
Tod treffe sie! Tod treffe die Verräter!
Die Verräter sterben! Sie sterben!
Rienzi
(dem Volke entgegentretend)
Höret mich! Verschworen hatten sich
die Nobili zum Mord an mir...
Volk
Sie sterben drum!
Rienzi
Hört, Römer, mich!
Begnadigt seien sie durch euch!
Cecco
Tribun, du rasest!
Volk
Nie, Rienzi!
Tod treffe die Verräter! Tod treffe sie!
Die Verräter sterben! Sie sterben!
Rienzi
Muß ich euch
um Gnade flehn für meine Mörder?
Wohlan! So fleh' ich euch denn an:
wenn ihr mich liebt, begnadigt sie!
Baroncelli
Er raset! Hört ihn nicht an!
Rienzi
Ihr Römer!
Ich macht' euch groß und frei; den Frieden,
oh, erhaltet ihn! Vermeidet Blut!
Seid gnädig, flehe ich, der Tribun!
Volk
Dich, unsren Retter, unsren Befreier,
bedrohte Tod von ihrer Hand!
Rienzi
Begnadigt sie und laßt von neuem
sie das Gesetz beschwören;
nie können je sie's wieder brechen!
Ihr Nobili, könnt ihr dies schwören?
Colonna, Orsini, Nobili
(in Zerknirschung)
Wir schwören!
Cecco
Du wirst's bereun!
Rienzi
O laßt der Gnade Himmelslicht
noch einmal dringen in das Herz!
Wer euch, begnadigt, Treu verspricht,
fühlt auch der Reue bittren Schmerz!
Doch dreifach Wehe treffe sie,
verletzen sie auch diesen Eid!
Den Frevlern dann verzeihet nie,
verflucht sei'n sie in Ewigkeit!
Adriano, Irene
Wie Sonne schön durch Wolken bricht,
löst diese Gnade jeden Schmerz;
ja, seiner Milde Himmelslicht
dringt segnend in ihr reuig Herz.
Baroncelli, Cecco
Unzeit'ge Gnade, die er übt!
Bereun wird er der Straf' Erlaß.
Wer diesen Stolzen je vergibt,
erweckt aufs neue ihren Haß!
Colonna, Orsini
Ha, stolze Gnade, die er übt!
Erniedrigung und Straferlaß!
Die Schmach der Edle nie vergibt,
bis in den Tod trifft dich sein Haß!
Volk
In deine Hände, o Tribun,
sei der Verbrecher Los vertraut!
Du darfst nach deinem Willen tun,
da fest auf dich der Römer baut.
Rienzi
Euch Edlen dieses Volk verzeiht,
seid frei, die besten Bürger Roms!
Adriano, Irene
(Rienzi zu Füßen fallend.)
Rienzi, dir sei Preis,
dein Name hochgeehrt;
dich schmücke Lorbeerreis,
gesegnet sei dein Herd!
So lang als Roma steht,
ans Ende aller Welt,
dein Name nie vergeht,
du hoher Friedensheld!
Baroncelli, Cecco
Bald schwört Verrat aufs neu
die stolze Räuberbrut,
wer baut auf ihre Treu?
Uns frommt allein ihr Blut!
Colonna, Orsini, Nobili
Ha, dieser Gnade Schmach
erdrückt mein stolzes Herz!
Es räche bald ein Tag
der Schande blut'gen Schmerz!
Volk
Rienzi, dir sei Preis,
dein Name hochgeehrt;
dich schmücke Lorbeerreis,
gesegnet sei dein Herd!
So lang als Roma steht,
ans Ende aller Welt,
dein Name nie vergeht,
du hoher Friedensheld!
DRITTER AUFZUG
(Männer. Dann Baroncelli. Später Cecco. Zuletzt Rienzi.)
Der Vorhang geht auf. - Die Szene stellt den großen Platz des alten Forums, mit Ruinen von Säulen und Statuen, dar. Im Beginn der Nummer hört man von fern und in unregelmäßigen Pausen die große Kapitolsglocke - in Des - läuten. Wild aufgeregte Volkshaufen erfüllen die Szene.
Volk
Vernahmt ihr all die Kunde schon?
Schließt eure Häuser, wahrt eu'r Gut!
Die Nobili sind nachts geflohn,
bald fließt in Rom der Bürger Blut!
Rienzi, Rienzi! Sucht den Tribun!
Baroncelli
(auftretend)
Ihr Römer, hört's, wie wir betrogen!
Des Friedens Geiseln sind entflohn.
Volk
Wo ist Rienzi?
Baroncelli
Der Rasende!
Schon gibt sie ihr Verrat uns preis,
mit einem Schlag sind sie vertilgt -
da gibt er Gnade, läßt sie frei!
O Tor, wer zählt auf ihre Treu!
Volk
Rienzi, Rienzi! Sucht den Tribun!
Cecco
(tritt auf)
Ha, 's ist zum Rasen! Alles hin!
Gerüstet sind die Nobili
und nahen drohend sich der Stadt!
Ha, wie zur Unzeit war die Milde!
Wir büßen sie mit unserm Blut.
Volk
Schreit nach Rienzi! Ruft ihn her!
Rienzi! Rienzi! Rienzi!
Rienzi
(tritt auf)
Ich kenne euren Ruf! Seht mich,
gleich euch, von Zorn und Wut entflammt!
Weh denen, die ihr mit Gnade überladen,
die dennoch Eid und Treue brachen!
Ha! Dreifach Wehe treffe sie!
Baroncelli, Cecco, Volk
Tribun, du sündigtest an uns,
da Gnade du vor Recht geübt!
Rienzi
Ja, ich versteh' euch, tadl' euch nicht.
Fortan sei mein Herz gestählt,
und eisern walte das Gesetz!
Blut fließe, wenn kein Tropfen selbst
Patrizierblutes übrig blieb'!
Weh ihnen, wenn sie Roma nahn!
Cecco
Was willst du tun?
Volk
Was hast du vor?
Rienzi
Die Freiheit Roms verteidigen
und niederschmettern die Verräter.
Baroncelli
Das stand bei dir, das konntest du,
als unser Blut der Preis nicht war.
Volk
Durch unser Blut bestrafst du sie nun!
Rienzi
Ein vollres Recht nun haben wir,
strafbarer macht die Gnade sie,
vernichten wir die Buben jetzt,
nennt uns die ganze Welt gerecht.
Volk
Ha, furchtbar treffe unser Grimm
die Frevler, die treulose Brut!
Rienzi, sprich, was hast du vor?
Wir sind bereit und folgen dir!
Rienzi
Ihr Römer, auf! Greift zu den Waffen,
zum Kampfe eile jeder Mann!
Der Gott, der Roma neu erschaffen,
führt euch durch seinen Streiter an!
Laßt eure neuen Fahnen wallen
und kämpfet froh für ihre Ehre!
Den Schlachtruf lasset laut erschallen:
Santo spirito cavaliere!
Rienzi, Baroncelli, Cecco, Volk
Ihr Römer, auf! Greift zu den Waffen,
zum Kampfe eile jeder Mann!
Der Gott, der Roma neu geschaffen,
führt euch durch seinen Streiter an!
Laßt eure neuen Fahnen wallen
und kämpfet froh für ihre Ehr'!
Die stolzen Feinde seh' sie fallen
und siegen freier Römer Speer.
(Alle zerstreuen sich unter großem Tumult nach verschiedenen Seiten.)
Volk
Zu den Waffen!
Adriano
(tritt auf)
Gerechter Gott, so ist's entschieden schon!
Nach Waffen schreit das Volk; kein Traum ist's mehr!
O Erde, nimm mich Jammervollen auf!
Wo gibt's ein Schicksal, das dem meinen gleicht?
Wer ließ mich dir verfallen, finstre Macht?
Rienzi, Unheilvoller, welch ein Los
beschwurst du auf dies unglücksel'ge Haupt!
Wohin wend' ich die irren Schritte?
Wohin das Schwert, des Ritters Zier?
Wend' ich's auf dich, Irenens Bruder?
Zieh' ich's auf meines Vaters Haupt?
(Er läßt sich erschöpft am Fuß einer umgestürzten Säule nieder.)
In seiner Blüte bleicht mein Leben,
dahin ist all mein Rittertum;
der Taten Hoffnung ist verloren,
mein Haupt krönt nimmer Glück und Ruhm.
Mit trübem Flor umhüllet sich
mein Stern im ersten Jugendglanz;
durch düstre Gluten dringet selbst
der schönsten Liebe Strahl ins Herz.
Wo war ich? Ha, wo bin ich jetzt?
Die Glocke, Gott, es wird zu spät!
Was nun beginnen? - Ha, nur eins!
Hinaus zum Vater will ich fliehn!
Versöhnung glückt vielleicht dem Sohne!
Er muß mich hören, denn sein Knie
umfassend sterbe willig ich!
Auch der Tribun wird milde sein;
in Frieden wandl' ich glühnden Haß!
(auf die Knie sinkend)
Du Gnadengott, zu dir fleh' ich,
der Lieb' in jeder Brust entflammt!
Mit Kraft und Segen waffne mich,
Versöhnung sei mein heilig Amt!
(Er eilt ab.)
Kriegerische Signale hinter der Szene. - Die waffenfähigen Bürger Roms ziehen kampfgerüstet mit kriegerischer Haltung auf. - Der Zug der Gewaffneten wird durch den Zug der Priester und Mönche unterbrochen. - Frauen und Jungfrauen geleiten den Zug. - Auftritt der hohen Geistlichkeit. - Nun beginnen wieder die Züge der Bewaffneten. - Es erscheinen Rienzi und die Senatoren, geharnischt und zu Pferde; Irene und die römischen Frauen.
(Rienzi steigt vom Pferde.)
Rienzi
Der Tag ist da, die Stunde naht
zur Sühne hundertjähr'ger Schmach!
Er schaue der Barbaren Fall
und freier Römer hohen Sieg!
So stimmt denn an den Schlachtgesang,
er soll der Feinde Schrecken sein!
Santo spirito cavaliere!
(Schlachthymne)
Allgemeiner chor
Auf, Römer, auf, für Herd' und für Altäre!
Fluch dem Verräter an der Römer Ehre!
Nie sei auf Erden ihm die Schmach verziehn,
Tod seiner Seel', es lebt kein Gott für ihn!
Trompeten schmettert, Trommeln wirbelt drein,
es soll der Sieg der Römer Anteil sein;
ihr Rosse stampfet, Schwerter klirret laut,
heut ist der Tag, der eure Siege schaut!
Paniere weht, blinkt hell, ihr Speere!
Rienzi, priester, Mönche, alle anderen
Santo spirito cavaliere!
(Der Zug setzt sich in Bewegung. Als Rienzi das Pferd wieder besteigen will, tritt Adriano auf.)
Adriano
(wie atemlos)
Zurück, zurück, halt ein, Tribun!
Laß ab vom Kampfe, höre mich!
Rienzi
Du Ärmster, ich beklage dich!
Verfluchen mußt du dein Geschlecht!
Adriano
Laß ab, noch einmal fleh' ich dich!
Versuche Milde, sende mich!
Schon eilt' ich ohne dein Geheiß,
zu tun, was hohe Pflicht gebeut.
Doch ach, verschlossen jedes Tor...
Drum sieh mich hier und höre mich!
Zu meinem Vater laß mich sprechen,
und fließen soll dann kein Tropfen Bluts!
Rienzi
Unsel'ger Jüngling, warst nicht du's,
der mich gestimmt zu jener Milde,
die römisch Blut jetzt fließen macht?
Ha, schweig! Fremd ist den Buben Treu!
Adriano
Tribun, bedenke, was du tust!
Noch schone Blut, o sende mich!
Zum Pfand setz' ich mein Leben ein
für ew'ger Treue neuen Bund!
Rienzi
Ihr Römer, auf! Hört ihn nicht an!
Sie fordern Kampf - wohlan: - zum Kampf!
Adriano
Auf meinen Knien beschwör' ich dich!
Noch ist es Zeit, du wirst bereun!
Rienzi
Eh' du von neuem mich bewegst,
soll alle Welt zugrunde gehn!
Adriano
Rienzi, sieh, hier liege ich:
willst Rache du, so nimm mein Haupt!
Rienzi
Du rasest, Knabe! Stehe auf
und laß dem Schicksal seinen Lauf!
(Rienzi besteigt das Pferd und gibt das Zeichen zum Aufbruch.)
Adriano
(sich aufrichtend, mit schmerzlichem Grimm)
Nun denn, nimm, Schicksal, deinen Lauf!
(Der ganze Kriegszug verläßt unter Absingung des zweiten Verses der Hymne die Bühne, jedoch so, daß der erste Teil derselben noch auf der Szene gesungen wird.)
Allgemeiner chor
Auf, Römer, auf, für Freiheit und Gesetze,
sei Zeug', o Erd', für unsre höchsten Schätze!
Ihr Heil'gen all und Gottes Engelschar,
steht uns im Kampfe bei und in Gefahr!
Trompeten schmettert, Trommeln wirbelt drein!
Es soll der Sieg der Römer Anteil sein;
ihr Rosse stampfet, Schwerter klirret laut,
heut ist der Tag, der eure Siege schaut!
Paniere weht, blinkt hell, ihr Speere!
Santo spirito cavaliere!
(Die Priester und Mönche haben den Kriegszug begleitet. Irene, Adriano und die Frauen bleiben zurück. - Adriano, der wie betäubt gestanden, umfaßt nach einem heftigen stummen Kampfe mit seinen Gefühlen leidenschaftlich Irene.)
Adriano
Leb wohl, Irene! Ich muß hinaus.
Barmherzig ist des Vaters Schwert!
Irene
(ihn heftig haltend)
Unseliger, bleib hier zurück!
Nicht mächtig bist du deiner Sinne.
Adriano
Laß mich fliehn! Mich ruft der Tod!
Irene, ach, dein Umarmen selbst,
ich muß es fliehn, mich ruft der Tod!
Irene
Treuloser, hast du kein Erbarmen
mit deiner, mit Irenens Not?
Ich laß dich nicht aus meinen Armen,
Gott selbst gebeut mir diese Pflicht!
(Wie von Windstößen getragen, hört man das Kriegsgewühl aus der Ferne.)
Adriano
Hörst du? Das ist das Mordgewühl!
Rienzi würgt mein ganz Geschlecht.
(Die Frauen senken sich auf die Knie.)
Frauen
Schütz, Heil'ge Jungfrau, Romas Söhne!
Steh ihnen bei in Kampfesnot!
Laß sie uns schaun in Sieges Schöne,
und ihren Feinden sende Tod!
Maria, sieh im Staub uns flehn!
O, blick auf uns aus Himmelshöhn!
(Hier macht Adriano, der sich bis jetzt von Irene loszuwinden suchte, eine heftige Bewegung zum Fliehen.)
Irene
Unsel'ger! Sieh; es ist zu spät!
Willst sinnlos du dem Tod dich weihn?
Adriano
Allmächt'ger! Ja! Es wird zu spät!
Ach, meine Sinne schwinden mir!
Irene
Sieh, deinen Hals umschlinge ich;
mit meinem Leben weich' ich nur!
Adriano
Zwiefacher Tod und Liebespein!
O Himmel, ende meine Qual!
(Irene zieht Adriano zu sich auf die Knie.)
Irene, Adriano
O heil'ge Jungfrau, hab Erbarmen!
Bring Hilfe mir in dieser Not!
Umfange ihn mit Segensarmen,
beschütze ihn vor Schmach und Tod!
Maria, sieh im Staub mich flehn!
O blick auf mich aus Himmelshöhn!
Frauen
Schütz, heil'ge Jungfrau, Romas Söhne,
steh ihnen bei in Kampfesnot!
Laß sie uns schaun in Sieges Schöne,
und ihren Feinden sende Tod!
Maria, sieh im Staub uns flehn!
O blick herab aus Himmelshöhn!
(Der Sturm hat sich gelegt; man hört deutlich die Musik der Schlachthymne sich nähern.)
Männerchor
(hinter der Szene)
Fluch dem Verräter an der Römer Ehre!
Nie sei auf Erden ihm die Schmach verziehn,
Tod seiner Seel', es lebt kein Gott für ihn!
Irene
Schon schweigt der Sturm: hört den Gesang!
Frauen
Das ist der Römer Siegeslied!
Männerchor
(hinter der Szene)
Trompeten schmettert, Trommeln wirbelt drein!
Es muß der Sieg der Römer Anteil sein!
Ihr Rosse stampfet, Schwerter klirret laut!
Heut ist der Tag, der eure Siege schaut!
Paniere weht, blinkt hell, ihr Speere!
Santo spirito cavaliere!
Adriano
Ha, großer Gott! So ist's entschieden!
Irene
Sie nahen schon!
Frauen
Sieg! Sieg!
Irene
Mein Bruder hoch vor ihnen her!
(Hier betritt der zurückkehrende Kriegszug die Bühne, die Musik zuerst; die Priester und Mönche geleiten ihn auf die Szene.)
Frauen, Priester und Mönche
Heil! Heil dir, du stolzes Siegesheer!
Willkommen, Romas siegreiche Söhne!
Heil euch und euren Waffen Ruhm!
Auf, streuet Blumen! Jubel ertöne;
er gelte euch und eurem Heldentum!
Ehrt, preist das schönste Heldentum!
(Der ganze Kriegszug ist wieder auf der Bühne.)
Rienzi
Heil, Roma, dir! Du hast gesiegt,
zerschmettert liegt der Feinde Heer.
(Man trägt die Leichen Colonnas und Orsinis auf die Bühne.)
Wer sagt nun noch, Rom sei nicht frei?
Colonna und Orsini sind nicht mehr.
Allgemeiner chor
(in halb freudiger, halb schaudernder Empfindung)
Ha, kein Colonna, kein Orsini mehr!
(Adriano hat die Leiche seines Vaters erkannt und ist mit einem Schrei über sie hingesunken. Im Hintergrunde werden in einzelnen stillen Zügen Tote und Verwundete über die Bühne getragen.)
Baroncelli
Ach, blutig ist die Strafe erkauft!
Auch uns traf furchtbarer Verlust.
Wieviele unter diesen Frauen
sehn nie den Mann, den Bruder mehr!
Adriano
(sich totenbleich von der Leiche aufrichtend, mit Bedeutung zu Rienzi)
Weh dem, der mir verwandtes Blut
vergossen hat! Blut'ger Tribun,
blick hierher! Sieh! Das ist dein Werk!
(Auf Rienzis Zeichen wird die Leiche Colonnas entfernt.)
Fluchwürdiger, der du von dir
mich stießest, da den Frieden ich
mit meinem Leben dir verbürgte!
Geschieden sind wir denn fortan,
nur Rache haben wir gemein!
Die deine stilltest du, so zittre
vor meiner, du verfielest ihr!
(Er geht ab.)
Rienzi
Hört nicht den Rasenden! Den er so wild
beklagt, war Romas ärgrer Feind als einst
Tarquinius selbst; Tod, ewiger Tod sei ihm!
Nie werd' ihm Ruh' in geweihter Erde!
Doch ihr, freut euch! Laßt alle Glocken läuten!
Trompeter blast! Der Sieg, den wir erkämpft,
ist schlechter nicht als Brutus' Heldentat.
Auf, im Triumph zum Kapitol!
Laßt uns die Stirn mit Lorbeer schmücken!
Volk
Auf! Im Triumph zum Kapitol!
(Friedensboten mit Lorbeerzweigen treten auf und geleiten einen antiken Triumphwagen Rienzi entgegen. Rienzi steigt vom Pferd und betritt den Triumphwagen, nachdem ihm von den Friedensboten der Helm abgenommen und dafür ein Lorbeerkranz auf das Haupt gesetzt worden ist. Irene, welche bei Adrianos Abgang erblassend in die Arme der Frauen gesunken war, wird von diesen zu Rienzi geleitet, welcher sie zu sich auf den Wagen heraufzieht, wo sie, sich matt an ihres Bruders Schultern anlehnend, an seiner Seite stehenbleibt. Trophäen, bestehend aus Rüstungen und Feldzeichen der Nobili, werden im Triumph vor Rienzi vorübergetragen, die Bewaffneten ordnen sich zum Zuge, dem sich endlich auch Rienzi im Triumphwagen anschließt.)
Ertönet Freudenlieder,
und ehrt die Sieger hoch.
Die Freiheit kehret wieder,
zu Ende ist Sklavenjoch!
VIERTER AUFZUG
Der Vorhang geht auf. Platz vor dem Lateran, dessen Pforten sich rechts an der Seite befinden. Nacht. Baroncelli mit einer Anzahl von Bürgern; alle verhüllt.
Baroncelli
Wer war's, der euch hierher beschied?
Volk
Er war verhüllt, unkenntlich uns.
Baroncelli
Wißt ihr, daß Deutschlands Abgesandte
für immer Rom verlassen?
Volk
Ha! So zürnt der neue Kaiser Rom?
(Cecco kommt, begleitet von Bürgern.)
Cecco
Euch treff' ich hier? - So seid auch ihr
hierher beschieden?
Baroncelli
Cecco auch?
Kennst du die schlimme Neuigkeit?
Cecco
Daß die Gesandten Rom verlassen?
Das danken wir dem Übermut,
mit dem Rienzi Deutschlands Fürsten
die römische Kaiserwahl bestritt.
Baroncelli
Wir werden's büßen; - mit dem Papst
versteht der neue Kaiser sich.
Volk
Wer bleibt dann noch zu unsrem Schutz?
Cecco
Wißt noch, was mir nicht recht gefällt:
der Kardinal ist abgereist.
Volk
Was sagst du? Auch der Kardinal?
Baroncelli
Wohl weiß ich, daß bei seiner Flucht
Colonna an den Papst sich wandte.
Volk
Sprich lauter!
Baroncelli
Und ihm versprach, der Kirche Schutz
durch seine Macht zu übernehmen.
Cecco
Und was sagt nun der Papst zu seinem Tod?
Baroncelli
Dies das Geringste! Doch was sagt ihr
zum Tode eurer Brüder?
Volk
Entsetzlich blutiger Verlust!
Baroncelli
Glaubt ihr, Rienzis Milde war's,
die zu der Gnade ihn bewog?
Klar sehe ich, es war Verräterei!
Volk
Verräterei? Womit beweisen?
Baroncelli
Verbindung sucht' er mit den Nobili,
ihr wißt, Irene liebt Colonnas Sohn.
Nun! Um den Preis dieser Begnadigung
hofft' er zum Bunde Colonna zu bewegen.
Volk
Und darum strömte unser Blut?
Wehe ihm, wenn das sich wahr erweist!
Stell uns Zeugen, Baroncelli!
Auf, stell uns Zeugen!
(Adriano war verhüllt unter die Bürger getreten und schreitet jetzt hervor.)
Adriano
Ich bin ein Zeuge, er sprach wahr.
Cecco, Volk
Und wer bist du?
Adriano
(enthüllt sich)
Colonnas Sohn!
Colonna! Ach, darf ich ihn nennen,
der aus dem Grab mir fluchend droht?
(starr vor sich hinsehend)
Laß dich versöhnen, blut'ger Schatten,
wend ab von mir den düstern Blick!
Nicht eher soll dieser Arm ermatten,
bis er gerächet dein Geschick!
(Wie schnell erwachend.)
Ihr Männer, ja! Ich bin Colonnas Sohn!
(Er tritt unter die Bürger.)
Höret mich! Unwürdig seiner Macht
ist der Tribun, der euch verriet.
Ihr Römer, seid auf eurer Hut!
Der Kaiser droht, die Kirche zürnt.
Baroncelli, Cecco, Volk
Ha, der Verräter! Er, dem wir dienten,
der seinem Ehrgeiz preisgab unser Blut,
in das Verderben stürzte er uns!
Ha, Rache ihm!
Adriano
Ja, Rache ihm!
Ich sei es selbst, der sie vollzieht!
Adriano
Des Vaters blut'ge Schmach zu rächen,
treibt mich ein heiliges Gebot;
zum Himmel auf schreit sein Verbrechen,
der Frevler büß' es mit dem Tod!
Baroncelli, Cecco, Volk
Des Hochverräters Schmach zu rächen,
treibt Ehre uns und herbe Not;
zum Himmel auf schreit sein Verbrechen,
der Frevler büß' es mit dem Tod!
(Der Tag bricht an.)
Cecco
Doch seht, die Nacht ist schon gewichen!
Sagt, brechen wir in offener Empörung los?
Baroncelli
Durch Festes Pomp sucht der Tribun
zu übertäuben unsre Not!
Ein feierlich Te Deum soll
heut danken für den blut'gen Sieg.
Adriano
So macht's zum Fest und straft ihn heut!
Baroncelli, Cecco, Volk
Vor aller Augen sei's getan!
(Der Kardinal mit Gefolge von Priestern und Trabanten begibt sich in einem lautlosen Zuge über den Platz in die Lateran-Kirche. Bei seinem Anblick halten die Verschworenen an.)
Baroncelli
Seht, welch ein Zug!
Volk
Der Kardinal!
Cecco
Ha, wie! Er ist zurückgekehrt?
Baroncelli
Und das Te Deum hält er selbst?
Volk
Die Kirche für Rienzi!
Cecco
Nichts vermögen wir;
die Kirche schützt allmächtig ihn!
Adriano
So schnell erlischt,
Elende, eu'r gerechter Zorn?
Sei's an den Stufen des Altars,
verfallen ist er meinem Arm.
Cecco
Es naht der Zug, schließt euch an mich!
Erwarten still wir, wie sich's fügt!
Es naht ein feierlicher Zug, der sich dem Eingang des Lateran zuwendet; die Verschworenen halten die Treppe der Kirche besetzt. - Der Zug hat sich vor der Kirche gruppiert; Rienzi und Irene, in Friedensgewändern, langen auf der Szene an. - Als Rienzi der Treppe der Kirche naht, hält er beim Anblick der Verschworenen still, welche ihm weniger durch Gebärden als durch ihre eingenommene Stellung den Eintritt streitig zu machen scheinen.
Rienzi
(ernst zu den Verschworenen)
Ihr nicht beim Feste? Achtet ihr
so gering den Sieg, nicht Dankes wert?
Adriano
(unter den Verschworenen in seinen Mantel gehüllt)
O Gott! Irene an seiner Seite!
Ihn schützt ein Engel; wie vollend' ich's?
Rienzi
Wie, oder ist der Mut dahin,
da ihr die Brüder fallen saht?
Sind dafür jene nicht vernichtet,
die sonst, als ihr noch friedlich waret,
euch Väter, Söhne kalt erschlugen
und eure Weiber schändeten?
O, für wie weit geringre Not
weiht' einst der Römer sich dem Tod!
Doch ihr schlugt euch für Ehr und Ruhm,
für eurer Freiheit Heiligtum!
(Die Verschworenen sind wie geschlagen; keiner wagt die Augen zu erheben.)
Ihr habt gesiegt, o laßt mich nimmer glauben,
daß ihr den Sieg, der Ruhm euch gab, verwünschet!
Baut fest auf mich, den Tribunen!
Haltet getreu an meiner Seite!
Gott, der bis hier mich führte,
Gott steht mir bei, verläßt mich nie.
(Die Verschworenen teilen sich ehrfurchtsvoll unter dem Ruf:)
Chor der verschworenen
Lang lebe der Tribun!
Adriano
(für sich)
Ha, feige Sklaven!
Soll ich allein? Soll vor Irenen selbst?
(Rienzi und der Zug lassen sich an, die Treppe der Kirche zu besteigen; Adriano tut einen zweifelhaften Griff nach dem Dolche; da hört man aus dem Innern des Lateran den Gesang der Mönche; von Schauer ergriffen halten Rienzi und der Zug plötzlich an.)
Priester, Mönche im lateran
Vae, vae tibi maledicto!
Jam te justus ense stricto
vindex manet angelus.
Rienzi
Wie schauerlich! Welch ein Te Deum?
Priester, Mönche im lateran
Vae, spem nullam maledictus
foveat, Gehennae rictus
jamjam hiscit flammeus!
Volk
Uns faßt ein Grauen, welche Töne!
(Rienzi ermannt sich und gibt ein Zeichen, worauf sich der Zug schnell wieder ordnet und nach der Treppe zu in Bewegung setzt. Als Rienzi auf der Hälfte der Treppe angelangt ist, erscheint am großen Portale der Kardinal, umgeben von Priestern.)
Kardinal und die Priester
Zurück, dem Reinen nur
erschließt die Kirche sich!
Du aber bist verflucht,
im Bann ist, wer dir treu!
Volk
Fliehet ihn! Er ist verflucht!
(Alles flieht entsetzt von der Bühne. - Der Kardinal und die Priester haben sich sogleich in die Kirche zurückgezogen. Die Kirchenpforten sind schnell geschlossen worden; an ihnen angeheftet erblickt man die Bannbulle; unmittelbar unter derselben steht Adriano. - Rienzi ist entsetzt bis in die Mitte der Szene zurückgewankt, wo er bis zum Schluß des Auftrittes bewegungslos, wie in dumpfer Betäubung stehen bleibt. Irene ist bewußtlos an seiner Seite zusammengesunken. Lange Pause auf der Bühne. Wie aus dem tiefen Inneren der Kirche wird der Gesang der Mönche gehört:)
Mönche in der kirche
Vae, vae tibi maledicto!
Jam te justus ense stricto
vindex manet angelus.
Vae, spem nullam maledictus
foveat, Gehennae rictus
jamjam hiscit flammeus!
(Adriano, der die Bühne nicht verlassen hat, die in einem Augenblicke leer geworden ist, verläßt seine Stelle und naht unsicher wankenden Schrittes Irene.)
Adriano
(zu der am Boden hingestreckten Irene sich herabbeugend)
Irene! Komm, flieh diesen Ort -
Zu mir! Ich bin dein Adriano!
Irene
(sich langsam aufrichtend)
Du hier? Was willst du? Was geschah?
Adriano
Der Boden brennt zu deinen Füßen!
Auf, eile, flieh! Dein Freund bin ich,
sieh her, ich bin's, dein Geliebter!
Irene
Mein Bruder? Sag, wo ist mein Bruder?
Adriano
Der ist verflucht und ausgestoßen
vom Heile des Himmels und der Erden;
verflucht ist mit ihm, wer ihm zur Seite;
drum rette dich, flieh seine Nähe!
Irene
Mein Bruder! - Ha, hinweg, Unsel'ger!
(Sich an Rienzis Brust werfend.)
Rienzi! Rienzi! O mein Bruder!
Adriano
(wütend)
Wahnsinnige! Verdirb mit ihm!
(Er stürzt ab.)
Rienzi
(aus seiner Betäubung erwachend, fühlt Irene an seiner Brust, richtet sie auf und blickt ihr gerührt in die Augen)
Irene, du? Noch gibt's ein Rom!
(Sie verweilen in einer langen Umarmung.)
Mönche im lateran
Vae, vae tibi maledicto!
Jam te justus ense stricto
vindex manet angelus.
(Während des Gesanges der Mönche in der Kirche sinkt der Vorhang langsam herab.)
FÜNFTER AUFZUG
Der Vorhang geht auf. Ein Saal im Kapitol. Rienzi allein vor einem kleinen Hausaltar kniend.
Rienzi
Allmächt'ger Vater, blick herab!
Hör mich im Staube zu dir flehn!
Die Macht, die mir dein Wunder gab,
laß jetzt noch nicht zugrunde gehn!
Du stärktest mich, du gabst mir hohe Kraft,
du liehest mir erhabne Eigenschaft:
zu hellen den, der niedrig denkt,
zu heben, was im Staub versenkt.
Du wandeltest des Volkes Schmach
zu Hoheit, Glanz und Majestät!
O Gott, vernichte nicht das Werk,
das dir zum Preis errichtet steht!
Ach, löse, Herr, die tiefe Nacht,
die noch der Menschen Seelen deckt!
Schenk uns den Abglanz deiner Macht,
die sich in Ewigkeit erstreckt!
Mein Herr und Vater, o blicke herab!
Senke dein Auge aus deinen Höhn!
Die Kraft, die mir dein Wunder gab,
laß jetzt noch nicht zugrunde gehn!
Allmächt'ger Vater, blick herab!
Hör mich im Staube zu dir flehn!
Mein Gott, der hohe Kraft mir gab,
erhöre mein tiefinbrünstig Flehn!
(Er beugt das Haupt tief zur Erde und verbleibt in stummem Gebete.)
(Irene tritt auf. Rienzi hat sich erhoben und sie erblickt. Sie umarmen sich heftig.)
Rienzi
Verläßt die Kirche mich, zu deren Preis
mein Werk begann, verläßt mich auch das Volk,
das ich zu diesem Namen erst erhob,
verläßt mich jeder Freund, den mir das Glück
erschuf, bleibt zweies doch mir ewig treu:
der Himmel selbst und meine Schwester!
Irene
Mein Bruder, ja, noch kenne ich die Lehren,
in denen du mich schwaches Weib erzogst:
du machtest mich zu einer Römerin!
Sieh denn, ob ich die Lehre treu befolgt!
Den letzten Römer laß ich nie, sei auch
der Preis das Glück des Lebens und der Liebe!
Rienzi, sag: hab' ich mich stark bewährt?
Rienzi
Irene, meine Heldenschwester!
Irene
Und weißt du auch, was einer Lieb entsagen heißt?
O nein, du hast ja nie geliebt!
Rienzi
Wohl liebt' auch ich! - O Irene,
kennst du nicht mehr meine Liebe?
Ich liebte glühend meine hohe Braut,
seit ich zum Denken, zum Fühlen erwacht,
seit mir, was einstens ihre Größe war,
erzählte der alten Ruinen Pracht.
Ich liebte schmerzlich meine hohe Braut,
da ich sie tief erniedrigt sah,
schmählich mißhandelt, grau'nvoll entstellt,
geschmäht, entehret, geschändet und verhöhnt!
Ha, wie ihr Anblick meine Wut entflammte!
Ach, wie ihr Jammer Macht gab meiner Liebe!
Mein Leben weihte ich einzig nur ihr,
ihr meine Jugend, meine Manneskraft;
denn sehen wollt' ich sie, die hohe Braut,
gekrönet als Königin der Welt -
denn wisse: Roma heißt meine Braut!
Irene
Treuloses Weib, Verachtung dir!
Rienzi
Ermiß denn meinen Schmerz,
da dieser Liebe ich entsagen soll!
Irene
Rienzi, o mein großer Bruder,
blick in mein tränenloses Auge,
sieh auf der Wange tiefen Gram,
empfinde, was dies Herz bezwang,
und sag: ist Roma untreu dir?
Rienzi
Irene, ach, selbst deine Treue
bricht mir das Herz. Was willst du tun?
Im Bann bin ich; verflucht auch du
an meiner Seite, und mein Werk,
ich ahn' es, ist vollendet bald!
Ich sei das Opfer, warum du?
Gedenkst du Adrianos nicht?
Er haßt nur mich und ist versöhnt,
wenn ich gefallen. Bleibe sein.
Irene
Rienzi! Ha, was höre ich?
Zu deiner Schwester sprichst du so?
Rienzi
Kein Rom gibt's mehr, sei denn ein Weib!
Irene
Ich sei die letzte Römerin!
Rienzi
Ach, mehre so nicht meinen Gram!
Irene
Rienzis Schwester trotzt dem Tod!
Rienzi
Ach, mehre so nicht meinen Gram!
Irene
Ermorde mich - ich laß dich nie!
Rienzi
(überwältigt)
Komm, stolze Jungfrau, an mein Herz!
Beide
In unsrem treuen Bunde,
in dieser keuschen Brust
lebt Roma noch zur Stunde,
der Größe sich bewußt.
Blickt uns ins feste Auge
und sagt, ob Roma fiel?
Mit unsrem letzten Hauche
setzt Gott ihr erst ein Ziel!
Rienzi
Es sei! Noch einmal will ich mich denn rüsten,
noch einmal tönen soll der Ruf,
zu wecken Rom aus seinem Schlaf.
(Er geht ab. Irene wendet sich nach einer andern Seite hin ebenfalls zum Abgang.)
Irene, Adriano.
Von Adrianos Auftritt an wird es immer finsterer, so daß die Szene in völliger Nacht endet; bald wachsendes, bald abnehmendes, im Ganzen aber immer näher kommendes Volksgetümmel wird von außen her vernommen: der grelle Schein von Feuerbränden erhellt blitzartig das Dunkel der Szene durch die Fenster, deren Scheiben durch Steinwürfe zerschlagen werden: diese Steigerung des Aufruhrs muß jedoch erst gegen das Ende der Szene eintreten.
(Adriano, tief in seinen Mantel gehüllt und bis zum Wahnsinn aufgeregt, tritt unter der Türe Irenen entgegen.)
Adriano
Du hier, Irene? Treff' ich dich
noch in des Fluchbeladnen Haus?
Irene
Entsetzlicher, du wagst es noch,
des Reinen Schwelle zu übertreten?
Entflieh!
Adriano
Wahnsinnige, noch Trotz?
Ach, du kennst dein Verderben nicht!
Doch rett' ich dich. - Flieh, komm mit mir!
Irene
Hier, bei dem Letzten, den der Name
des Römers ziert, ist mein Asyl!
Ihr seid Treulose, Schändliche!
Geh, es gibt keine Liebe mehr!
Adriano
Ha, meine Liebe, ja, ich fühl' es,
ist Liebe nicht, ist Raserei!
Irene, Irene, sieh mich knien!
Du schwurest einst mir ew'ge Treue,
versünd'ge nicht durch Meineid dich!
Wohl kenne ich noch meinen Schwur;
ich schwur: Tod und Verderben solle
mir Losung sein, um jedes Band
und jede Schranke zu zertrümmern!
Dies war mein Schwur, ich halt' ihn jetzt:
Tod und Verderben, es ist da!
Dein Bruder ward von Gott verflucht,
verflucht von mir und aller Welt;
das Volk, es rast, kennt den Verrat.
Dies Kapitol, bald steht's nicht mehr,
schon wird der Feuerbrand genährt;
wer hier betroffen, ist verflucht,
sein Tod dem Mörder ein Verdienst;
in meiner Hand zuckt selbst der Stahl:
dein Bruder fällt, er fällt durch mich!
Tod und Verderben, sieh, ist da.
Nun bist du mein! Sag, bin ich treu?
Zu deinen Füßen lieg' ich hier;
sieh meine Liebe, sieh meine Treu'!
Irene
(ihn abwehrend)
Verruchter! Die Hölle rast in dir!
Nichts hab' ich mehr mit dir gemein!
Hier stehe ich, eine Römerin!
Nur meine Leiche nennst du dein!
(Man hört verworrenes, anwachsendes Getümmel von außen.)
Adriano
Sie kommen, ha! Die Flamme glüht!
Entsetzen! Wahnsinn! Auf, Irene!
Irene
Laß mich, ich fühle Riesenkraft;
Gott hilft mir, dir zu widerstehn.
Adriano
Nein, du darfst nicht sterben, dein Tod trifft mich!
Komm mit, ich reiße dich hinweg!
(Er sucht sich Irenens gewaltsam zu bemächtigen.)
Irene
Vergeh, Wahnsinniger! Frei bin ich!
(Sie hat mit wütender Gewalt Adriano von sich geschleudert und entflieht. Adriano ist zu Boden gesunken.)
Adriano
(rafft sich starren Blickes auf.)
O, du bist mein! Durch Flammen selbst
find ich den Weg!
(ab.)
(Die Szene verwandelt sich.)
Großer Platz vor dem Kapitol, das sich im Hintergrunde befindet. Volkshaufen in der wütendsten Aufregung. - Das Volk strömt von allen Seiten dem Platze zu.
Volk
Herbei! Herbei! Auf, eilt zu uns!
Bringt Steine her! Bringt Feuerbrand!
Er ist verflucht, er ist gebannt!
Verderben treffe ihn und Tod!
Auf, ehrt der Kirche Hochgebot!
(Rienzi in voller Rüstung, doch entblößten Hauptes, erscheint mit Irene auf dem hohen Balkon des Kapitols.)
Er ist's! Seht, der Fluchbeladne trotzt!
Auf, steinigt ihn!
Rienzi
Kennt ihr mich noch?
Es fordert Ruhe der Tribun.
Baroncelli
Hört ihn nicht an!
Volk
Hört ihn nicht an!
Rienzi
Entartete! Sagt, zeigt ihr so den Römerstolz?
Cecco
Bringt Steine her!
Volk
Auf, steinigt ihn!
Rienzi
Bedenkt, wer macht' euch groß und frei?
Gedenkt ihr nicht des Jubels mehr,
mit dem ihr damals mich begrüßt,
als Freiheit ich und Frieden gab?
Um euretwillen fleh' ich euch:
gedenket eures Römerschwurs!
Baroncelli
Hört ihn nicht an! Er bezaubert euch!
Volk
Fangt an! Auf, bringt Feuerbrand!
Werft Feuer in das Kapitol!
(Von allen Seiten werden brennende Pechkränze geworfen.)
Rienzi
Wahnsinnig Volk! Wen greift ihr an?
Wie glaubet mich ihr zu vernichten?
So hört von mir das letzte Wort:
so lang die sieben Hügel Romas stehn,
so lang die ew'ge Stadt nicht soll vergehn,
sollt ihr Rienzi wiederkehren sehn!
Volk
Bald faßt ihn schon der Feuerbrand!
Er ist verflucht, er ist gebannt!
Verderben treffe ihn und Tod!
Auf, ehrt der Kirche Hochgebot!
(Das Kapitol steht in vollem Brande; man erblickt Rienzi und Irene, sich umschlungen haltend und von Flammen umgeben, auf dem Balkon; das Volk wirft mit Steinen nach ihnen.)
(Adriano erreicht atemlos die Bühne an der Spitze der zurückkehrenden Nobili, welche teils zu Pferde, teils zu Fuß einen heftigen Angriff auf das Volk ausführen.)
Adriano
(Irene erblickend)
Irene! Irene! Auf, durch die Flammen! Ah!
(Als Adriano dem Kapitol zueilt, stürzt der Turm, wo Rienzi und Irene sich befinden, mit furchtbarem Krach zusammen. Adriano sinkt mit einem Schrei leblos zu Boden und wird mit Rienzi und Irene unter den Trümmern begraben.) |